Mehrsprachigkeit im Fokus
Mehrsprachigkeit von Kindern, darüber sind sich die Bildungsexperten einig, bedeutet Chance und Herausforderung gleichermaßen. Doch wie lässt sich die Tatsache, schon im Kindesalter nicht nur eine, sondern zwei oder noch mehr Sprachen sprechen zu können, für den weiteren Bildungsweg möglichst gewinnbringen einsetzen? Knapp 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben jetzt im Rahmen der vom Kommunalen Integrationszentrum Lippe (KI) organisierten Fachtagung „Mehrsprachigkeit als Bildungsressource – Ansätze, Impulse und Methoden“ im Kreishaus über diese und weitere Fragen diskutiert. In einem Impulsvortrag sowie in vier Workshops widmeten sich die Erzieherinnen und Fachleute aus den KiTas, Lehrkräfte, sozialpädagogische und schulpsychologische Fachkräfte der Schulen sowie die Lehrkräfte aus dem Erwachsenenbereich intensiv dem Thema.
Jörg Düning-Gast betonte als Mitglied des Verwaltungsvorstandes, dass Vielfalt und Mehrsprachigkeit gelebte Selbstverständlichkeit im Kreis Lippe seien. Besonders freue ihn hierbei die Haltung der Kinder und Jugendlichen, für die Vielfalt etwas völlig Normales sei. Die Bedeutung der Mehrsprachigkeit unterstrich Düning-Gast durch den Hinweis, dass die beiden Programme des KI, „Rucksack KiTa“ und „Rucksack Schule“ in das Zukunftskonzept des Kreises Lippe aufgenommen worden seien. „Mit diesen beiden Programmen kann die Mehrsprachigkeit bei Kindern und Eltern in den nächsten Jahren wirkungsvoll gestärkt werden“, betonte Düning-Gast.
„Mehrsprachigkeit sollte in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen eine Ressource darstellen, die wertgeschätzt und beachtet wird“, stellte Anke Freytag, Vertreterin der Schulaufsicht heraus. Die gelebte und geförderte Mehrsprachigkeit sei eine wichtige Voraussetzung für den interkulturellen Dialog, die kulturelle Vielfalt und den Bildungserfolg.
Mit Ihrem Fachvortrag zeigte Dr. Galina Putjata von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster auf, dass die Schülerinnen und Schüler, die viele Sprachen sprechen und permanent zwischen verschiedenen Sprachen wechseln müssen, auch im kognitiven Bereich im Vorteil seien. Dies liege unter anderem an der verbesserten Gedächtnisleistung, wie die Referentin weiter ausführte. Sie begann Ihren Vortrag auf Russisch und stellte eine Mathematikaufgabe auf Englisch, bevor sie ihren Vortrag schließlich in deutscher Sprache fortsetzte und sensibilisierte so von Beginn an für das Thema Mehrsprachigkeit. Die Relevanz der „Alltagsintegrierten Sprachbildung“ in der KiTa war ihr ein weiteres Anliegen. Methoden zur Förderung der Mehrsprachigkeit in KiTas seien das Vorlesen (lassen) von mehrsprachigen Märchen, Begrüßungszeremonien in mehreren Sprachen sowie mehrsprachige Veranstaltungen für Eltern, so die Referentin.
Auch in den Folgejahren, in der Schule, sollten Kinder und Jugendliche ermutigt werden, ihre Familiensprache zu sprechen. „Dies gibt ihnen nicht nur emotionalen Halt, Kenntnisse und regelmäßiges Sprechen in der Familiensprache wirken sich auch erwiesenermaßen auf das Erlernen der deutschen Sprache aus“, wie Dr. Putjata betonte. Zudem plädierte sie für eine sensiblere Begrifflichkeit, es gehe nicht um „monolingual“, „bilinigual“ oder „mulitlingual“, viel passender sei der Begriff „happylingual“.
„Mehrsprachigkeit ist ein wichtiges Bildungsziel, doch erfordert es einen großen politischen Ideenreichtum, damit die vielen Sprachen Europas lebendig bleiben können“, so Birgit Essling, Leiterin des Europe Direct Informationszentrum des Kreises Lippe. Wenn diese Sprachen nur noch in der Freizeit gesprochen würden und im offiziellen Sprachgebrauch ausschließlich englisch gesprochen würde, wäre das ein Kulturverlust, der in krassem Widerspruch zu den Werten der Europäischen Union stehe, betonte Essling.