Fachtag zur Zuwanderung aus Südosteuropa
Detmold. [fok] „Wir müssen mit den Zuwanderer_innen aus Südosteuropa reden und nicht über sie.“ Diese Erkenntnis war zum Ende des „Fachtag Südosteuropa – Auf dem Weg zu einem gelingenden Miteinander“ unter allen Beteiligten unwidersprochen. Über 80 Fachkräfte aus verschiedenen Bereichen und mit unterschiedlichen Professionen befassten sich in der Veranstaltung mit der EU-Zuwanderung in den Kreis Lippe.
Unter dem Titel „Soziale Arbeit und staatliche Institutionen zwischen Ausgrenzung, Erziehung und Romantisierung“ setzte sich Dr. Markus End mit dem Verhältnis der Mehrheitsgesellschaft zu der Zuwander_innengruppe auseinander. Dabei stellte er heraus, dass „die Ursachen des Antiziganismus nicht in den Eigenschaften der Roma und Sinti liegen sondern in den Zuschreibungen und Vorstellungen der Mehrheitsgesellschaft.“ Die Ideologie des Antiziganismus müsse als grundlegendes Strukturelement europäisch geprägter Dominanzgesellschaften verstanden werden und diene der Absicherung ihrer Normen und Identitätsentwürfe, so Dr. End weiter.
So entwickele sich in der Gesellschaft ein Bild, das aus Vereinheitlichung, Zuschreibung und Bewertung das Othering fördere. Der ‚Wir-Gruppe‘ der Deutschen stehe damit eine ‚Gegen-Gruppe‘ aus Sinti und Roma gegenüber. Im Umgang mit dieser Gruppe seien auch Traditionslinien staatlichen antiziganistischen Handelns festzustellen, die Ausgrenzung, Verfolgung, Vertreibung aber auch ganz spezielle Formen von Erziehung und Identitätswahrung umfassten, so Dr. End. Dem in der Öffentlichkeit immer wieder geäußerten Vorwurf, dass ‚die Roma‘ nur nach Deutschland kämen, um Sozialhilfe zu bekommen, stellte Dr. End die Feststellung gegenüber, dass der Braindrain, also die Abwanderung von hochqualifizierten Fachkräften nach Deutschland, eine Ausbeutung der Herkunftsländer darstelle, die mit allen Sozialleistungen nicht kompensiert werden könne.
Dr. Ends Feststellung, dass Themen wie Hilfebedürftigkeit und Probleme als Romaprobleme ethnisiert, also einer Volksgruppe zugeordnet, würden, anstatt individuelle soziale Verhältnisse in den Blick zu nehmen, wurde von dem Referenten Kasm Cesmedi bestätigt. Er forderte mit Blick auf die Kinder und Jugendlichen, „die ethnische Zugehörigkeit sollte keine Bedeutung für die schulische Entwicklung der Kinder haben“.
Es bedürfe der Deethnisierung, denn „wir müssen in der Vielfalt wahrgenommen werden, die wir auch haben“, so Cesmedi weiter. Daher sei es auch für die Roma wichtig, dass sie ihre Geschichte selber erzählen könnten. Auch wenn auf die besonderen Bedürfnisse der Roma Rücksicht genommen werden solle, dürfe von Seiten der Mehrheitsgesellschaft aber auch keine Hypersensibilisierung an den Tag gelegt werden, so sein Appell. „Ohne die Beteiligung der Roma werden Sie es nicht schaffen“, so Cesmedis eindeutiges Fazit zum Erfolg der Integrationsbemühungen.
Dass dieser Gedanke die Integrationsarbeit des kommunalen Integrationszentrums des Kreises Lippe bereits begleitet, machte Jessica Keitel deutlich. In ihren Ausführungen zu den Maßnahmen in Augustdorf verdeutlichte sie, dass „Teilhabe, Vertrauen, Augenhöhe“ eine Grundvoraussetzung seien, um mit den Roma in Kontakt zu kommen und so eine gelingende Integration voranzubringen.