Türchen 10

Heute ist der 10. Dezember und somit öffnet sich das zehnte Türchen unseres Adventskalenders!

Im heutigen Türchen: Infos zu den Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen mit sogenanntem Migrationshintergrund. Anschließend gibt es noch eine Spielvorlage zum Download!

Heute beschäftigen wir uns mit den Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen mit einem sogenannten Migrationshintergrund. Dabei beziehen wir uns auf den Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes [1] und verwenden daher auch deren Begriffe und Definition, die wie folgt lautet: „Eine Person hat einen Migrationshintergrund, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt besitzt.“

In Deutschland haben nach der zuvor genannten Definition rund ein Drittel der Kinder und Jugendlichen einen Migrationshintergrund. Mehr als 70 Prozent von ihnen sind Deutsche.

Aber sind ihre Bildungschancen und Startbedingungen gleichzusetzen mit ihren Mitschüler*innen ohne sog. Migrationshintergrund? 

Laut Mikrozensus 2019 leben Kinder mit „Migrationshintergrund“ häufiger in Familien mit geringem Einkommen. Etwa ein Drittel der unter 18-Jährigen mit Migrationshintergrund leben in Familien, die von Armut gefährdet sind. Unter Gleichaltrigen ohne Migrationshintergrund sind es rund 12 bis 13 Prozent. Dies ist von Bedeutung weil Studien zeigen, dass Kinder die in Armut in Deutschland aufwachsen, nicht über dieselben Bildungs- und Gesundheitschancen wie Gleichaltrige aus finanziell gesicherten Familien verfügen. Vor allem andauernde Armutserfahrungen in Kindheit und Jugend wirken sich negativ auf ihre Bildungs- und Teilhabechancen aus[2].

Selbst ein guter Schulabschluss schützt laut Mikrozensus 2019 nicht unbedingt vor Armut. Selbst wenn sie Abitur haben, bleibt die Armutsgefährdungsquote bei Menschen aus Einwandererfamilien hoch (20,4 Prozent), und liegt damit sogar deutlich höher als bei Hauptschulabsolventen ohne Migrationshintergrund (16,2 Prozent)[3].

Der Mediendienst Integration hat zu den Gründen hierfür folgende Erklärung:

„In Deutschland ist der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und schulischem Erfolg stärker ausgeprägt als in vielen anderen OECD-Staaten. Soziale Unterschiede werden in Deutschland „weitervererbt“: Nur 24,4 Prozent der jungen Erwachsenen erwerben einen höheren Bildungsabschluss als ihre Eltern. Zum Vergleich: In anderen Industrieländern gelingt das im Schnitt 41,1 Prozent.
Eine wichtige Rolle in Bezug auf den Bildungserfolg von Schülern mit Migrationshintergrund spielt das Schulsystem, das sich nur langsam interkulturell öffnet und auf Diversität – wie der Mehrsprachigkeit von Schülerinnen und Schülern – einstellt. Die Leistungsunterschiede sind in der Grundschule noch vergleichsweise gering. Oft unterschätzen Lehrkräfte aber Fähigkeiten der Kinder und geben daher eher selten Gymnasialempfehlungen. Das kann unter anderem dazu führen, dass Schülerinnen und Schüler weniger motiviert sind.“[4]

Jetzt die gute Nachricht: Es geht aber auch anders!

Forscher*innen der Universität Bremen wollten schauen, was Deutschland von Beispielen in anderen Ländern lernen kann und haben drei innovative Schulen in Kanada, Schweden und den USA untersucht. Das Team wollte wissen, wie die Schulen mit Migration und Vielfalt umgehen.

Dabei ist ihnen aufgefallen, dass in den erfolgreichen Schulen der Blick auf die neuzugewanderten Schüler*innen anders ist: Die Schulen fragen nicht nur, was die Kinder und Jugendlichen nachholen müssen, sondern schauen, was die Kinder bereits können und wie sich darauf aufbauen lässt. Ein weiterer Erfolgsfaktor: Lehrkräfte werden nicht alleingelassen. Ihnen stehen andere Berufsgruppen zur Seite. Die unterstützen Lehrkräfte, zum Beispiel als Übersetzer*innen und Begleiter*innen im Unterricht. 

Folgende Tipps lassen sich aus den Erfolgsschulen somit für unsere Schulen ableiten[5]:
  1. Die Lehrkräfte müssen zunächst herausfinden, wie der Kenntnisstand der neuzugewanderten Schüler*innen in allen Fächern ist – auf ihrer Familiensprache – und dementsprechend einen individuellen Lehrplan entwickeln.
  2. Die Schüler*innen erhalten einen kurzen Deutschkurs, nehmen danach aber an allen Fächern teil, um in den anderen Fächern nicht zurückzubleiben.
  3. Für die erste Zeit erhalten die Schüler*innen eine Lernbegleitung, die ihre Sprache spricht. Bei Bedarf unterstützt diese die Schüler*innen auch bei der Vor- und Nachbereitung des Unterrichts.
  4. Die Schüler*innen können im Fachunterricht ihre Familiensprache mit einbringen, indem sie z.B. Bücher in ihrer Sprache lesen und in allen Sprachen recherchieren dürfen. Alles was hilft den fachlichen Inhalt zu verstehen, sollte erlaubt sein.
  5. Lehrkräfte, Schulsozialarbeit und weitere Berater- und Unterstützer*innen arbeiten eng und auf Augenhöhe zusammen. Sowohl die Schüler*innen als auch deren Eltern können sich an sie wenden und bei Bedarf werden Sprachmittler*innen hinzugezogen. An deutschen Schulen unterstützten Sozialarbeiter*innen zwar an einigen Schulen. „Oft seien die aber nicht gleichberechtigte Mitglieder des Schulteams. Das erschwere die Zusammenarbeit“[6].
  6. Sprachkenntnisse der Lehrkräfte sollten im Kollegium möglichst breit gefächert sein (Interkulturelle Öffnung) und genutzt werden.
  7. Es sollte die Möglichkeit geschaffen werden, Prüfungen auch auf Familiensprachen ablegen zu können. Vorhandene Angebote sollten genutzt und den Schüler*innen bekannt gemacht werden (z.B. Anerkennung der Familiensprache als Fremdsprache im Abitur). Dies würde den Wissensstand von neuzugewanderten Schüler*innen widerspiegeln und nicht hauptsächlich deren Deutschkenntnisse. Die Deutschkenntnisse können in den nachfolgenden Jahren verbessert werden.
Welche Unterstützungsmöglichkeiten gibt es in Lippe?

Wir, das Kommunale Integrationszentrum Kreis Lippe, stellen den Grundschulen bereits das mehrsprachige Elternbildungsprogramm „Rucksack Schule“ zur Verfügung. Für Grund- und weiterführende Schulen gibt es SmiLe-Sprachbildung mit individuellem Lernerfolg.  Sprachmittler*innen können für Übersetzungen in Schule kostenlos angefordert werden. Weitere Anregungen nehmen wir gerne auf und versuchen bestmögliche Unterstützung bei aktuellen Bedarfen zu geben.

Zudem hat das Land NRW das Talentzentrum NRW geschaffen, welches die Teilhabe von Schüler*innen aus bildungsferneren Familien organisiert und Talente fördert. Das Talentscouting richtet sich an motivierte Schüler*innen der Oberstufe, die ihre Zukunft aktiv gestalten wollen. Auch in OWL sind die Talentscouts unterwegs. Hier gelangt ihr auf die Internetseite und weitere Informationen: https://www.talentscouting-owl.de/ . In Lippe sind die Talentscouts an die TH OWL angedockt und hier zu finden: https://www.th-owl.de/studium/vor-dem-studium/talentscouting/.

 


Quellen/Fußnoten

[1] Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes Fachserie 1 Reihe 2.2, 2018

[2] vgl. Bertelsmann Stiftung (2016): „Armutsfolgen für Kinder und Jugendliche. Erkenntnisse aus empirischen Studien in Deutschland“ von Claudia Laubstein, Gerda Holz und Nadine Seddig. Hier nachzulesen: https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/Studie_WB_Armutsfolgen_fuer_Kinder_und_Jugendliche_2016.pdf)

[3] Vgl. (Vgl. Statistisches Bundesamt (2020): „Ergebnisse des Mikrozensus 2019“ Fachserie 1 Reihe 2.2 S. 341ff. und https://mediendienst-integration.de/integration/bildung.html )

[4] Zitat von https://mediendienst-integration.de/integration/bildung.html unter „Chancengleichheit an deutschen Schulen“

[5] Vgl: https://mediendienst-integration.de/artikel/es-geht-auch-anders.html

[6] Zitat von https://mediendienst-integration.de/artikel/es-geht-auch-anders.html


Und jetzt gibt es noch etwas, um die Familiensprache wertzuschätzen und Deutsch sowie Familiensprachen gleichermaßen zu fördern: Ein Winter Memory-Spiel zum Ausdrucken und Beschriften. Eine Anleitung für das Spiel (mit anderen Bildern) findet ihr in dem Video unten drunter.